Alleinlebende Singles mussten 2020 oft ohne physischen Kontakt auskommen. Die Soziologin und Sexualpädagogin Barbara Rothmüller hat mit ihrer Studie „Liebe, Intimität und Sexualität in der Pandemie“ erforscht, wie sich unser Sex- und Beziehungsleben im heurigen Jahr verändert hat. Rothmüller meinte, dass vor allem die Medien behaupten, es gäbe signifikant mehr Online Dates durch die Pandemie. Diese selektiven Ergebnisse sind laut Rothmüller primär von Dating-Apps verlautbart worden und stimmen aufgrund der eigenen Erhebung nicht per se.
Zu Beginn der Krise hätten viele noch angegeben, schnell den/die „Corona-PartnerIn“ finden zu wollen. Einige haben kurz vor Beginn der Pandemie jemanden kennengelernt, mit dem sie im Speed-Modus zusammengezogen sind. Für viele haben diese raschen Entscheidungen nicht gut funktioniert. Viele haben ihre Dating-Ambitionen danach eher eingestellt. Die Corona Krise, die Menschen die Chance auf physischen und psychischen Austausch und das Ausleben der Sexualität nimmt, bedeutet insbesondere für junge Menschen eine enorme mentale Belastung. Sie sind besorgt, keinen Partner zu finden und sind einsam. Auch wenn sich junge Menschen in Beziehungen befinden, erachten sie ihr eingeschränktes Sozialleben trostlos und haben Angst, dass die Intimität in der Partnerschaft aufgrund des ereignislosen Alltags auseinanderbricht. Diese Entwicklung sei sehr ernst zu nehmen. Psychologen stellen sich die Frage: Welche Wirkung hat dieses Jahr und die Monate, die noch auf uns zukommen, für die Beziehungslust und das Verhalten von Menschen (insbesonders für die jüngere Generation) in der Zukunft?
Helfen Dating-Apps durch die Einsamkeit?
Aufgrund nachgewiesener Corona-Müdigkeit und der psychischen Belastung, die durch die vielen Verordnungen und Einschränkungen des Soziallebens einhergeht, laden sich auch die schärfsten Kritiker der Online-Liebe die gängisten Dating-Apps aufs digitale Device. Tinder, Bumble und Baboo verzeichneten in der Phase des ersten Lockdowns eine merkbar erhöhte Aktivität vieler Nutzer. Die täglichen Chats stiegen um mehr als 20% pro Dienst an. Diese Entwicklung setzt sich fort.
Welche Dating-Services nutzt die einsame Gesellschaft?
Die News zuerst: Es gibt einen neuen Player am Markt. Facebook Dating. Warum macht Facebook ein eigenes Dating Service, das noch dazu gratis und werbefrei ist? Das offizielle Statement lautet, dass Facebook bisher schon zum Kennenlernen genutzt worden sei, jetzt wolle man das Service dahingehend einfach verbessern.
Das Service erinnert laut Experten stark an Tinder. Facebook Dating ist keine eigene App wie Instagram, sondern wird in der Facebook-App aufgerufen. Alle, die an einem Date via Facebook interessiert sind, werden einander auf Basis gemeinsamer Interessen sowie der Location, in der man sich befindet, vorgeschlagen. Mit Hilfe der bestehenden Facebook-Daten (z.B. Bilder) kann man sich in wenigen Minuten sein Profil zusammen stellen.
Datenschutzexperten warnen klarerweise: Mit einer Dating-App öffne ich nicht nur eine Tür in mein privates Leben, ich informiere Facebook, über meine persönlichen Vorlieben, wen ich treffe, etc. Dabei ist klar, dass sich die Werbebotschaften, die auf meine Timeline gepusht werden, auch aus dieser Dating-Aktivität ziehen.
Badoo: Der Vorteil dieser App ist, dass sie mit über 60 Millionen Nutzern zu den größten Dating-Apps der Welt gehört. Sonst ist sie Tinder sehr ähnlich.
Once: Das ist eine sogenannte Slow-Dating-App. Statt „wisch und weg“ können sich Nutzer hier mehr Zeit nehmen, einen Chat-Partner auszuwählen.
In der Bumble App machen Frauen den ersten Schritt. Gleichberechtigung wird bei Bumble ganz großgeschrieben, mit Sexismus und Macho-Gehabe wollen die Entwickler nichts am Hut haben. Female Empowerment liegt der Gründerin Whitney Wolfe Herd sehr am Herzen, wie sie sagt. Es gibt bei Bumble mittlerweile nicht nur die Dating-Option, sondern auch die Möglichkeit, auch nur Freunde oder Business-Kontakte zu suchen (Bumble Bizz und Bumble BFF).
Abschließend die nicht weniger wichtige Frage: Wie gehen ältere Menschen mit der sozialen Isolation und dem Verlust von Zweisamkeit um? Es gibt auch in der Zielgruppe der über 50jährigen App-Angebote, die jenen für jüngere Menschen recht ähnlich sind. Woran es am Markt doch mangelt, ist eine Plattform für kultivierten Austausch. Der Beigeschmack der existierenden Online-Services schreit schon immer nach Partnerschaft oder Zweisamkeit für einige Stunden.