Starköche wie der burgenländische Haubenkoch Jürgen Csencsits spielen eine wichtige Rolle bei der Setzung und Verbreitung von Foodtrends. Durch ihre Kreativität, ihr Fachwissen und ihren Einfluss sind sie Meinungsbildner in der Welt der Gastronomie. Sie rücken neue Kochtechniken, Zutaten und Präsentationsstile ins Scheinwerferlicht. Ihre Restaurants dienen oft als Testfelder für neue Ideen, die dann von anderen Köchen und Gastronomen aufgegriffen werden. Sie inspirieren nicht nur andere Profis, sondern beeinflussen durch Medienauftritte, Kochbücher und soziale Medien die Essgewohnheiten und Vorlieben von Millionen von Menschen weltweit. Und sorgen dafür, dass diese zuhause frische und abwechslungsreiche Gerichte zubereiten und die Nahrungsaufnahme weniger als muss als Genuss gesehen wird.
Das Zukunftsinstitut beschreibt in den „Top Food Trends 2024 – Die kulinarische Welt von morgen“ die wesentlichen Entwicklungen in der Lebensmittelbranche für das Jahr 2024. Die Haupttrends für 2024 umfassen:
- Pflanzenbasierte Ernährung: Der Trend zu veganer, vegetarischer und flexitarischer Ernährung nimmt zu. Fleisch verliert seine dominante Position, getrieben durch ethische und ökologische Überlegungen. Die Industrie reagiert mit einer Vielzahl von Fleischersatzprodukten.
- Neue Arbeitsformen und Essgewohnheiten: Der Trend „New Work“ beeinflusst sowohl die Arbeits- als auch die Esskultur. Flexiblere Arbeitszeiten und -orte führen zu veränderten Essgewohnheiten, wobei schnelles und unkompliziertes Kochen eine Renaissance erlebt.
- Innovative Lebensmitteltechnologien: Neue Technologien wie In-Vitro-Fleisch, neue Gentechnik und Präzisionsfermentation versprechen, den Bedarf an klassischer landwirtschaftlicher Produktion zu reduzieren. Diese Entwicklungen erfordern jedoch eine steigende gesellschaftliche Akzeptanz.
- Lokalisierung von Lebensmitteln: Regionalität gewinnt gegenüber biologischer Herkunft an Bedeutung. Es gibt eine zunehmende Ausrichtung hin zu lokal produzierten Lebensmitteln, einschließlich des Anbaus exotischer Tiere und Pflanzen.
- Weibliche Einflüsse in der Lebensmittelbranche: Frauen übernehmen zunehmend Führungsrollen in der Lebensmittelbranche und legen den Fokus auf soziale und ökologische Kriterien.
- Circular Food und Zero Waste: Der Trend geht über die Reduzierung von Lebensmittelabfällen hinaus und betrachtet Lebensmittel im Kontext eines Kreislaufsystems.
- Regenerative Lebensmittelproduktion: Der Schwerpunkt liegt auf der Art und Weise der Lebensmittelproduktion, insbesondere auf der Bedeutung des Ackerbodens für ein gesundes Ökosystem.
Wir werden auch diskutieren, ob und wann Bio an seine Grenzen stößt und eine Kombination aus technologischen Innovationen und ökologischer Produktion erforderlich ist, um weiterhin eine bedeutende Rolle im Lebensmittelsektor zu spielen.
Jürgen Csencsits setzt Trends im Burgenland
Wenn wir die Wochenenden in den heimatlichen Gefilden im Burgenland verbringen, kehren wir gerne in unserem Lieblingsrestaurant Csencsits in Harmisch ein. Mein 9jähriger Sohn schwärmt schon am Weg ins Haubenlokal von einem Gericht, das ich in seiner rustikalen Form auch als Kind kennengelernt habe. Langos. Mein Langos war tellerrund, wurde mit Knoblauch eingepinselt und mit Salz bestreut. Jeremias Langos aus der Gourmetküche von Jürgen Csencsits ist ähnlich groß, aber kunstvoll mit Kürbis, Feta, Feige, Lachs, Gurke, Rahm, Tan Tan vom Schwein und einigen Tupfen Trüffelmayo verziert. Wenn er in den ersten Bissen Langos beißt, schließt er die Augen und murmelt: ‚Das ist so gut‘, wobei er das o wie Kaugummi zieht.
Als ich Jürgen auf die Foodtrends des kommenden Jahres anspreche, sagt er: „Wenn ich an ‚Foodtrends‘ denke, die auch Nachfragen unserer Gäste wiederspiegeln, dann ist ganz klar vor allem bei den jüngeren Gästen die vegetarische und vegane Küche im Vormarsch. Die große Biowende ist bei mir schon länger eingeläutet. Regional und nachhaltig ist unsere Küche genauso wie unsere Energienutzung. Wir kochen mit einem Holzofen aus den 60er Jahren und seit 2 Jahren haben wir eine Photovoltaik-Anlage am Dach installiert. Was den Trend der regionalen Lebensmittel angeht, haben wir uns über die Jahre ein cooles Netzwerk an Bauern aufgebaut. Früher kam das Stubenküken aus Frankreich, heute suchen wir Wachtel und Taube aus der Gegend aus. Sie kommen aus Dürnbach und Deutsch Tschantschendorf. Das Bio-Lamm beziehen wir von der Familie Elpons aus Bildein.“
„Wo holst Du Dir Deine Inspiration, um ein Trendsetter zu sein?“ frage ich ihn. Jürgen antwortet: „Aus der Kunst und der Musik. Das zeigt sich nicht nur am Teller, sondern auch am Einrichtungsdesign. Und: Reduzieren und weglassen – das heißt mit weniger am Teller auskommen, das ist die Kunst!“
Dazu habe ich Chief Inspector Jürgen Schmücking vom Gault Millau Magazin befragt. Schmücking ist Wein- und Käse-Sommelier sowie Master of World Spirits und leitet ein Team von über 50 Restauranttestern. Chief Inspector Schmücking sucht keine Haare in der Suppe, sondern kuratiert die Beschreibungen und Bewertungen seines Teams, damit diese stimmig und nachvollziehbar sind. Meine kurze Interviewfrage rund um die Erwartungen an die Küchenchefinnen und Küchenchefs 2024 beantwortet er mit einer Liste von Wünschen, die voller Vorfreude auf den Besuch lokaler Restaurants einstimmen. Ich möchte Euch diesen Brief nicht vorenthalten:
„Zuallererst wünsche ich ihnen allen das Allerbeste. Glück, Gesundheit und immer einen Handbreit Wasser unterm Kiel. Das wär einmal das, was ich ihnen wünsche. Von ihnen wünsche ich mir aber auch was. Da wär zum einen die Sache mit dem Fleisch. Wir konsumieren zu viel davon. Noch dazu zu viel vom Schlechten. Köchinnen und Köche können einen erheblichen Beitrag in Sachen Bewusstseinsbildung leisten. Und zur Reduktion des Fleischkonsums selbst. Bitte tut das auch. Verarbeitet nur qualitativ hochwertiges Fleisch. Finger weg von Massentierhaltung und Anonymität in der Produktion. Das gilt für die Klassiker der Nutztiere (Rind, Kalb, Schwein, Schaf) ebenso wie für Wild. Gerade bei Wild bitte nicht auf importierte Ware zurückgreifen. Das ist meist Farmwild (welch ein Widerspruch in sich, dieses Wort). Farmwild bedeutet Gehege und kontrollierte Fütterung. Also genau das Gegenteil von „wild“. Geht in Kontakt mit den heimischen Jägern.
Nächster Punkt, die Pflanzen. Die Gemüseküche wird immer besser, kreativer, spannender. Weiter so. Man muss seine Küche nicht auf 100 % veggie umstellen. Aber mit einem „plant-based-Anteil“ von 90 Prozent plus lässt sich ein sagenhaftes Menü zaubern. Und beim Rest dafür zum Besten greifen, das der Mark bietet.
Zum Erlebnis im Restaurant selbst hätte ich auch ein paar Wünsche. Beschränkt das Weinangebot nicht auf Weinbegleitungen. Bottles rule! Mehr Flexibilität beim Menü. Degustationsmenüs sind großartig. Das ist ein solides à-la-carte-Angebot aber auch. Und Thema Storytelling. Ja, es ist für Gäste interessant und – manchmal – lustig, wenn man die Geschichte der Kuh, der Karotte oder der Heidelbeeren kennt, die am Teller zu einem großartigen Gericht veredelt wurden. Es kann (und oft wird es das leider auch) zu lang werden. Wo Beschreibungen und Erklärungen zu Prosa werden und die ersten servierten Teller bereits an Temperatur verlieren, bevor der Service zum Hauptteil der Erzählung kommt, läuft was falsch. Das gilt im Übrigen auch für den Wein.
Zusammengefasst wünsche ich mir Kreativität, Fokus auf Handwerk und Region, weniger Fleisch, besseres Fleisch, mehr Gemüse und nicht soviel Text am Tisch.“