Es ist Mitte Januar – konntest Du den ersten Vorsatz fürs Jahr 2023 schon in Angriff nehmen? Ich habe gerade bei einem Seminar teilgenommen, bei dem die Vortragende die Teilnehmer:innen einlud, ihre Ziele fürs Geschäftsjahr 2023 zu definieren. Da kamen Wünsche, wie „400.000€ Umsatz“, „Mehr Zeit für die Familie“ und „Ein Haus am See“. Ich wünsche den Leuten die Erreichung dieser teilweise sehr ambitionierten Ziele, trotzdem ist vorprogrammiert, dass einige bei der Umsetzung scheitern werden.
Scheitern – was heißt das in Zeiten wie diesen?
Scheitern ist das neue Vorwärtskommen. Es ist ein Trendbegriff des letzten Jahrzehnts in Österreich. Wer nicht scheitert, dem fehlt was. Mein Kumpel aus Kalifornien meinte sogar: „Wer in den USA keine Erfahrung im Lebenslauf mit dem Scheitern einer Geschäftsidee hat, wird erst gar nicht ernst genommen.“ Die Erfahrung mit Pivoting, wie wir das im englischen Sprachgebrauch kennen, bedeutet flexibel sein und nach dem Misserfolg mit Weg A, dann einfach Weg B, C oder D einzuschlagen. Erfolg bedeutet dann, aus dem Misserfolg zu lernen und es beim nächsten Versuch besser zu machen. Entwicklung hardcore.
Beim Scheitern das Selbstbewusstsein stärken
Scheitern im zentraleuropäischen Raum heißt noch immer flächendeckend, dass das Ego und das Selbstbild so angekratzt werden, dass man die negative Erfahrung schnell vergessen will, bis zum total Verdrängen und Trauma, das sich bis zum Burn Out hochschrauben kann. Dabei muss das nicht sein.
Tipps nach dem Scheitern
Wer sich nach dem ersten Schock des Scheiterns erholt hat, kann durch Selbstreflexion lernen, sich wieder voranzubringen. Krone richten, Lächeln aufsetzen, weitermachen. Da braucht es eine Auseinandersetzung mit den Fragen: Was ist passiert? Welche Faktoren haben zum Scheitern geführt? Wie kann ich verhindern, dass mir dasselbe noch einmal passiert? Was hätte ‚ich‘ anders machen können, was ‚die anderen‘?
Wissenschaftler, die sich mit dem Prozess des Scheiterns in den letzten Jahren intensiv beschäftigt haben, empfehlen, die Ursachen und Gefühle des Scheiterns aufzuschreiben oder mit Mitmenschen darüber zu sprechen. Das ermöglicht, den Misserfolg zu verarbeiten und zu lernen, welche Lehren gezogen werden können. Dadurch werde man zum „Experten in Punkto Scheitern“.
Das richtige Mindset
Dazu benötigt man die richtige Einstellung und Widerstandskraft, auch Resilienz genannt. Menschen, die das schaffen, lassen sich danach nicht unterkriegen. Sie lernen, aus jeder Situation, auch wenn kurzfristig ‚die Welt untergeht‘, letztendlich für sich das Beste herauszuholen.
Positive Kultur des Scheiterns
Die Resilienz Forschung mit Unfallopfern hat bewiesen, dass Mentaltraining den Patient:innen immens dabei hilft, schnell gesund zu werden. Es gilt, an die Heilung zu glauben. Was die Forscher jedoch noch nicht beantworten können ist, inwiefern eine solche Einstellung auch erlernbar ist. Was jedoch klar ist: unsere Gesellschaft in Österreich braucht eine positivere Fehlerkultur. In unserem Kulturkreis herrscht noch immer ein großer Drang zum Perfektionismus. Das beginnt im Volksschulalter und geht bis zur Universität und rein ins Berufsleben. Bei Fehlern führt das zu Scham, Versagensängsten und zur Beeinträchtigung des Selbstwertgefühls. Manche Manager:innen, die viel können, aber durch eine Erfahrung geknickt sind, finden sogar jahrelang keinen Job.
Was die Chefs und Chefinnen lernen können
In Punkto Unternehmenskultur sollten sich unsere CEOs, COO und andere Management-Mitglieder dieser neuen Fehlerkultur (endlich) öffnen. Aus jedem Fehler könnten Verbesserungsvorschläge abgeleitet werden. Das Credo könnte lauten: Mit jedem Fehler versuche ich, es das nächste Mal besser zu machen.
Buchtipp:
Im Buch „Gebrauchsanweisung fürs Scheitern“ beschreibt der Autor Heinrich Steinfest das Komische und das Tragische von Niederlagen. Irgendwann werden wir lernen, Scheitern mit Humor zu betrachten.