Vor kurzem schrieb mir ein guter Gourmet-Freund aus Japan, dass er in den Genuss eines Food-Erlebnisses an einem ungewöhnlichen Ort und auf noch ungewöhnlichere Weise gekommen war. Weil er meine Begeisterung fürs Unkonventionelle kennt, erzählte er mir davon. Zur Ankündigung eines Pop-Up Restaurants mit dem Namen „Qino“ wurde eine Food-Künstlerin namens Yuko Suwa engagiert, die sich etwas ganz Besonderes einfallen ließ. Sie bat ein ausgesuchtes Publikum an Celebrities und Redakteuren einflussreicher Medien zum Dinner in den Wald. Mein Freund beschrieb seine Erfahrung so: „Am Fuße des Berges Hakusan, eines heiligen Berges in der Präfektur Ishikawa, wurde für nur zwei Tage ein „besonderes Restaurant“ errichtet. Es ist ein luxuriöses Esserlebnis, bei dem ich in einem ruhigen Wald in das durch die Bäume fallende Sonnenlicht eintauchen und gleichzeitig ein vollwertiges Menü genießen konnte.“
Auf japanisch klang das sicher noch poetischer. Aber er schreibt mir auf japanisch und ich übersetze seinen Text mittels digitaler Übersetzungssoftware. Na ja. Ich sah die Fotos und wusste, was er meinte. Das Einladungsschreiben, das er zugeschickt bekam, enthielt skurrile Formulierungen wie „Kleiderordnung: Stiefel“, „Ein Kleinlastwagen wird Sie empfangen“ und „Menü: einmalige Kostproben“. Die Organisatoren fügten eine Nachricht hinzu: „Wir freuen uns darauf, Sie im Wald zu sehen“. Was folgte, nannte er still ein „Einmal in 100 Jahren“-Geschmackserlebnis.“
Was war das für ein Restaurant? Die Organisatoren wollten kommunizieren, wie wichtig es sei, die Umwelt des Hakusan zu schützen, einer wertvollen Wasserquelle im Einzugsgebiet des Tedori-Flusses, des größten Flusses der Präfektur Hakusan. Das Projekt wurde im Rahmen von QINO konzipiert, einer Zusammenarbeit zwischen dem in Tokio ansässigen Kreativunternehmen fabriq und den Bewohnern von Hakusan City.
Neue Verwendungsmöglichkeiten für Holz erfinden
Nach einer 60-minütigen Autofahrt vom Bahnhof Kanazawa erreichten die Gäste der Veranstaltung den Wald, in dem das Essen stattfinden sollte. Der Wald wird von der Aromadestillerie EarthRing bewirtschaftet, die auch Mitglied des Qino-Projekts ist. Der Wald ist dicht mit Nadelbäumen, wie Zedern und Zypressen bewachsen. Dort wurden Cocktails aus dem Baumgetränk ‚Qinosoda‘ serviert, ein kohlensäurehaltiges Wasser, das aus Laubbäumen, den so genannten Kuromoji, hergestellt wird, die oft bei der Ausdünnung von Zedernbäumen abgeschnitten und weggeworfen werden. Es hat einen pflanzlichen, zitrus- und teeblattähnlichen Geschmack. Qino wurde ins Leben gerufen, um neue Verwendungsmöglichkeiten für diese Bäume zu finden und ihre gesamtheitliche Nutzung zu fördern.
„Wasserkreislauf“
Das Menü bestand aus sieben Gerichten, schrieb mein Freund, die von einheimischen Köchen unter der Leitung von Lebensmittelkünstlerin Ayako Suwa mit Hilfe lokaler Zutaten unter dem Motto „Wasserkreislauf“ zubereitet wurden.
Michi: „Dieser „Wasserkreislauf“ wurde auf dem Teller dargestellt, mit dem „Boden“, der von der Schneeschmelze durchdrungen ist, den „Bäumen“, die das Gebirgswasser aufnehmen und wachsen, den „Steinen“ im Fluss, auf denen das Gebirgswasser fließt, den „Feldern“, die den Segen des Gebirgswassers erhalten, und dem „Meer“, in das das Gebirgswasser schließlich gelangt. Für alle Gerichte wurde Bergwasser aus dem Hakusan-Gebirge verwendet, so dass die Gäste den Fluss des Wassers nicht nur mit ihren Geschmacksnerven, sondern auch mit ihrem Seh- und Hörsinn spüren konnten. Dazu wurde lokaler Felsenfisch, Flussalgen und andere Zutaten verwendet, die auf Steinen aus dem Tedori-Fluss arrangiert und mit einer Brühe aus Bergwasser übergossen wurden, so dass es aussah, als würde das Flusswasser die Steine polieren.
Ein anderes Gericht hieß „Umi“. Der Geschmack von eingelegten Kugelfischrogennestern, über die Bergwasser gegossen wurde – das symbolisierte den Moment des ins Meer fließenden Flusses. Für andere Gerichte wurde destilliertes Wasser, das aus Kuromoji und Zypressen gewonnen wurde, verwendet und auch die Rinde und die Blätter von Zedernbäumen kamen bei der Präsentation und Aufmachung zum Einsatz.
Geheimtisch im Wald
Nach dem Sechs-Gänge-Menü lud die Foodkünstlerin dazu ein, die Stiefel anzuziehen. Darauf wurden die Gäste einen Pfad entlang tiefer in den Wald geführt. Dort wurde auf Baumstümpfen das letzte Gericht, das Dessert, serviert.
Das siebte Gericht trug den Titel „Wolken“. Fünf verschiedene Tofusorten mit unterschiedlicher Beschaffenheit, darunter der lokale Kata-Fu-Tofu, wurden verwendet, um einen süßen Geschmack zu erzeugen, der an das ‚Essen von Wasser‘ erinnert. Die Festigkeit und Straffheit des Tofus variierte je nach den Merkmalen der einzelnen Regionen, vom Gebirge bis zum Meer.
Schließlich fragte Frau Suwa die Gäste: „Wie hat Ihnen der Geschmack des 100jährigen Wassers gemundet?“ Der Begriff „100-jähriges Wasser“ wird in dieser Region häufig verwendet. Man sagt, dass der Schnee, der in den ‚weißen Bergen‘ fällt, durch die Wälder und das Klima wandert und nach 100 Jahren in den städtischen Gebieten wieder heraussprudelt. Die Idee, im Wald zu essen, hilft bei der Bewusstseinsschaffung, wie wichtig der Wald und das Wasser für den Fortbestand unserer Zivilisation ist. ‚Qino‘ arbeitet mit lokalen Unternehmen, Schulen und Behörden zusammen, um Produkte zu entwickeln, bei denen durchforstetes und ungenutztes Holz verwendet wird. ‚Holzerziehung‘ nennen die Japaner diese Reihe an Events.
Hier die visuelle Übersetzung:
Inspiration aus Japan für unser waldreiches Land.