Seit Weihnachten verwende ich einen Noise-Cancelling-Kopfhörer. Ich war noch nie eine Freundin von großen Kopfhörern, weil ich finde, dass man damit albern aussieht. Aber wenn mein Sohn wie ein Rumpelstilzchen durch die Wohnung poltert und seinen Kopf durchsetzen will, setze ich ihn auf, und atme tief durch.
In Ruhe reisen
Neulich bin ich mit meinem Sohn nach Lissabon geflogen. Als der Flieger abhob, setzte ich den Kopfhörer auf und ließ mich von einem Film berieseln. Den Over-Ear-Kopfhörer von Sony kann ich via Bluetooth mit meinem Smartphone verbinden. Der Akku hält so lange, da hätte ich glatt rund um den Erdball fliegen können. Als ich auf die Toilette musste und den Kopfhörer absetzte, merkte ich, dass im Flugzeug ein schriller akustischer Soundteppich von vorne nach hinten und retour flog. Babies weinten, Kleinkinder schrien, der Captain brummelte vor sich hin und das Bordpersonal pries in Dauerschleife Parfums und Snacks an, die ob der hohen Preise sowieso niemand kaufen wollte. Der totale Wahnsinn für meine sensiblen Ohren. Ich konnte es kaum erwarten, wieder auf meinem Sitzplatz die Kopfhörer in Empfang zu nehmen. Knopf drücken und für Ruhe im Sturm sorgen.
Zooming out im Büro
Auch im Büro zoome ich die Umgebungsgeräusche meiner KollegInnen aus. Das sind keine Rowdies, aber wenn sie telefonieren und miteinander reden, lenken sie mich ab. Auf Knopfdruck ist der Umgebungslärm dann fast weg.
Wenn ich mit öffentlichen Verkehrsmitteln zur Arbeit fahre, kann ich auch in einer vollen Ubahn in die Stille eintauchen. Ich höre Musik, Hörbücher oder Podcasts und wenn mein Telefon klingelt, wird der Content durch das Telefongespräch ersetzt. Ist das Telefonat zu Ende, geht es an derselben Stelle weiter.
Das Noise-Canceling Verhaltens-Manifest
Eigentlich schreit die Verwendung von Noise Cancelling Kopfhörern im Büro schon wieder nach einem Verhaltens-Manifest. Ich stelle mir nämlich die Frage, ob man mit den Kopfhörern nicht Gefahr läuft, sein Sozialleben im Büro zu ersetzen. Den ganzen Tag fröhlich in den Spotify Wurlitzer oder in magische Akustikwelten wie jene der Trilogie von Herr der Ringe abzutauchen – was tut das einerseits der Produktivität und anderseits dem Sinn nach einer Rückkehr ins Büro an?
The future of sound
In Zukunft könnten wir immer Kopfhörer tragen, die unser Empfinden überwachen und unserem Körper zuhören. Der Kopfhörer weiß dann, in welcher Stimmung ich bin, und spielt mir die passende Musik. Vielleicht brauche ich auch mal eine Klangumgebung, die mir einen Tritt in den Hintern gibt.
Und wenn ich im Schuhgeschäft auf der Suche nach schönen, aber für meinen Fuß unpassende Pumps bin, wird mir die sonore Stimme meines digitalen Butlers eine Empfehlung aus der aktuellen Schuhkollektion des Ladens ins Ohr flüstern. Im Büro werde ich nicht nur die Hintergrundgeräusche ausschalten können. Ich kann Personen völlig stumm schalten. Oder ihnen einen anderen Ton geben. Wenn sie zu sprechen anfangen, kommen ihre Sätze bei mir als Operngesang an. Manchmal wünschte ich, die Zukunft wäre morgen schon da.