Der Klimawandel, die Langzeitauswirkungen der Coronakrise, internationale geopolitische Krisenherde – wie unsere Zukunft aussehen wird, scheint vor allem nach dem Erleben einer Krise ungewiss.
Und doch ist es trotz aller Unvorhersehbarkeit wichtig, Szenarien zu skizzieren, wie wir die nächsten Jahrzehnte, sagen wir mal bis 2050, gestalten könnten. Eine Schweizer Studie hat das in den letzten Monaten getan. Sie hat Szenarien vorgestellt, die folgende Aspekte beinhalten:
Der internationale Handel ist inexistent. Lokale Gemeinschaften sind nicht mehr in nationale oder supranationale Organisationen eingebunden und organisieren sich in den Ruinen einer globalisierten und industrialisierten Welt ganz neu.
Maschinen haben viele Jobs übernommen und für technologische Arbeitslosigkeit gesorgt. Anstatt in eine neue Branche zu wechseln, wenden sich die Betroffenen einer neuen Beschäftigungsform zu: der Gig-Economy. Als digitale Tagelöhner bemühen sie sich in einer durchökonomisierten Welt um rar gesäte Jobs.
Dem Klimawandel mit Fortschritt und Technologie entgegenzutreten, hat sich als nicht machbar herausgestellt. Das übergeordnete Ziel ist die vollständige Reduktion von CO2-Emissionen durch persönliche Einschränkungen. Das übt einen Druck auf den Markt aus.
Von den Früchten der Arbeit, die von Robotern und Automation erledigt wird, profitieren alle. Menschen stehen vor der Herausforderung, ihrem Leben Sinn zu stiften und angesichts der überlegenen künstlichen Intelligenzen ihre persönliche Autonomie zu bewahren.
Diese Szenarien seien lediglich Eckpunkte eines Möglichkeitsraumes, schreiben die Autoren. Für jede dieser Welten kann man Fähigkeiten und Eigenschaften ableiten, die notwendig sind, um darin zu bestehen und zu gedeihen. Das Ziel: Bildung soll Kinder und Jugendliche auf die Zukunft vorbereiten. Mein Sohn ist 6 Jahre alt. In 30 Jahren ist er 36 und wird sich für einen Beruf entschieden haben. Wie sicher wird diese Einkommensquelle sein? Wie hoch wird sein Belastbarkeitsgrad sein, um Krisen zu überstehen? Wie könnte ihn unser Schulsystem – ob in öffentlichen, privaten, traditionellen oder alternativen Bildungsinstitutionen – begleiten, damit auch er an den Lösungen von Krisen und Alltagsherausforderungen mitentwickeln kann?
Die Kompetenzen, die für die skizzierten Szenarien von Nöten sind, wurden in einer Umfrage von Schweizer LehrerInnen daraufhin bewertet, inwiefern sie an ihrer Schule unterrichtet werden. Das Feedback der LehrerInnen: Es sei unmöglich, Kinder und Jugendliche auf Basis solcher Szenarien derzeit auf die Zukunft vorzubereiten.
Je stärker die Zukunft von der heutigen Welt abweicht, desto weniger dienen bestehende Institutionen und Erfahrungen als Orientierungshilfen. Damit sind zukünftige Generationen auf sich allein gestellt.
Kompetenzen der Selbstbestimmung wie Eigenantrieb, Selbstwirksamkeit, Kreativität, die Fähigkeit, seine eigenen Potentiale einschätzen zu können und in Gruppen Entscheidungen zu treffen, sowie flexibel auf Situationen reagieren zu können, sind in allen Szenarien wichtig.
Die Covid-19 Krise hat uns das gelehrt: Wir leben die Zukunft als etwas, das uns zustößt und mit dem wir uns zu arrangieren haben. Um unsere Kinder und Jugendlichen zur Gestaltung ihrer und unser aller Zukunft der nächsten 3 Jahrzehnte (und natürlich darüber hinaus) zu befähigen, schlägt die Studie drei Kategorien von Kompetenzen vor:
Wissen: Es braucht ein Grundlagenwissen und damit auch das Wissen, was man nicht weiß. Dazu müssen wir Werkzeuge entwickeln, die helfen, sich schnell neues Wissen anzueignen.
Wollen: Ziele sind für die Zukunftsgestaltung unerlässlich. Es gilt, eigene Wünsche und Bedürfnisse zu reflektieren und Ziele klar formulieren zu lernen. Es braucht neue Ideen und nicht das Gefühl, dass „alles schon erfunden wurde“. Wenn diese neuen Ideen von gemeinschaftlichen Werten geprägt sind, umso besser. Das ist zum Vorteil aller.
Wirken: Um selbst wirken zu können, braucht es den Glauben daran, mit den eigenen Kompetenzen etwas verändern zu können. Für die tatsächliche Umsetzung sind handwerkliche, organisatorische und soziale Kompetenzen. Um die Zukunft zu gestalten, braucht es aber vor allem neue Ideen, die man als Gemeinschaft umsetzt. Kleine Gemeinschaften, welche neue Ideen ausprobieren und voneinander lernen können, sind der Weg zu einer resilienten (belastbaren) Gesellschaft.