Sie sehen aus, bewegen und benehmen sich wie echte Menschen. In Wahrheit sind die „Neons“, die auf der diesjährigen Consumer Electronics Show (CES) in Las Vegas von der Samsung Star Labs-Forschungsgruppe präsentiert wurden, digitale Gebilde. Aber wofür braucht man die?
Die „Neons“ (nicht zu verwechseln mit den Neos in Österreich) so nennt man die vom Computer geschaffenen Figuren, wirken derart realistisch, dass sie von vielen Messebesuchern für Schauspieler gehalten wurden, die vor einer Kamera agieren. Tatsächlich aber wird jede Bewegung und jedes Lächeln vom Computer berechnet. Rund einen Tag dauert es, auf diese Weise eine solche Figur digital zu erschaffen.
Dass die Neons so realistisch wirken, liegt auch daran, dass die künstliche Intelligenz, die das Ganze steuert, ständig neue Variationen entwickelt. So wie bei einem echten Menschen jede Gesichtsmimik ein wenig anders ausfällt, verhält es sich auch bei den Computer Avataren. Jede Gestik und Regung wird von der Software neu berechnet. Das gilt auch für die Art, wie Neons sprechen. Die grundsätzliche Aussage einer Antwort, die sie auf eine Frage geben, wird zwar von einer KI vorgegeben. Wie sie diese formulieren und artikulieren, ist jedoch nicht vorhersehbar. Genau das wird sie eines Tages menschlich erscheinen lassen. Bei einer Vorführung der Technik konnte eine Neon zudem in Englisch, Französisch, Chinesisch und Hindi antworten.
Noch überlegen die Entwickler, wofür die Neons primär genutzt werden. Star Labs hat einige Beispiele entwickelt, will selbst aber nicht als Betreiber aktiv werden. Vielmehr ist das Ziel, die digitalen Charaktere an Unternehmen zu vermieten. Dort könnten sie als TV-Moderatoren, Pressesprecher, Filmschauspieler, Yogalehrer und Immobilienmakler eingesetzt werden. Auch für Startups und junge Unternehmen hätten Neons einen großen Vorteil. Es könnten Personal und Kosten eingespart werden, wenn eine künstliche Intelligenz den Job eines Kundensupports übernimmt, sagt der CEO des Unternehmens, Pranav Mistry.
Ich habe Pranav Mistry 2009 im MIT Media Lab in Cambridge (USA) kennengelernt. Schon damals tüftelte der kluge Kopf an unglaublichen Medientechnologien. Es wundert mich nicht, ihn als CEO und Mastermind hinter dieser Technologie zu sehen.
Mistry räumt ein, dass die Technologie noch Zeit braucht, zu wachsen. Seine Vision ist es, dass „die digitale Spezies“ Teil unseres Alltagslebens sein wird, z.B. in unseren bevorzugten Chat-Anwendungen, zu Hause, in Arztpraxen und Spitälern und im Handel. Man könne sich auf natürliche Weise mit einem realistisch aussehenden KI-Menschen unterhalten, der mit Namen wie Frank und Hanna angesprochen wird.
Die kommerziellen Mieter müssten dabei mit einer Eigenheit zurechtkommen, die die Neons von Avataren oder Frage-Antwort-Robotern unterscheidet: Sie haben eine Persönlichkeit. Zumindest insofern, als dass sie mit bestimmten Charaktereigenschaften versehen würden, die nicht veränderbar sind. Wer einen Neon nutzt und nach einiger Zeit feststellt, dass dieser ihm zu kratzbürstig oder zu aufgedreht erscheint, wird sich damit arrangieren müssen.
Einmal in Betrieb genommen, könne man den Charakter eines Neon nicht mehr beeinflussen, denn einen Mitarbeiter aus Fleisch und Blut könne man schließlich auch nicht nach Belieben verändern, nachdem man ihn angestellt hat.
Auch die Multimillionen $ – Pornoindustrie habe schon Interesse an dieser Technik bekundet. Die Möglichkeiten dürften verlockend sein, mit den digitalen Personen über eine VR-Brille zu kommunizieren. Diese würde den Figuren noch mehr Realität verschaffen, indem sie sie dreidimensional im Raum erscheinen ließe. Das könnte der nächste große Schritt hin zu vollkommen künstlich erschaffenen Neons sein, die kaum noch von echten Menschen zu unterscheiden sind.
Wenn ein solcher Avatar in einen humanoiden Roboter eingebaut wird und beginnt, echte Gespräche mit Ihnen zu führen, werden sich viele an den Hollywood Film ‚Her‘ erinnern und ethische Regulatorien einfordern.