Teppiche sind keine Notwendigkeit mehr, sie werden immer öfter als Blickfang in Wohnungen eingesetzt. Mit dem verstaubten Image ist jetzt Schluss. Geholfen hat dabei sicher auch, dass sich international bekannte Möbel-Designer dem Bodenbelag widmen. Und mit dieser Schützenhilfe haben es Teppiche jetzt sogar auf die Liste der Must-haves in Sachen Wohnen geschafft. Wer hätte das gedacht?
Bis vor kurzer Zeit wurden Teppiche einem größeren Publikum nur auf der Domotex, der Weltleitmesse für Teppiche und Bodenbeläge in Hannover, präsentiert. Heuer haben sie es aber auch nach Mailand oder Köln geschafft – zu den wichtigsten Möbelmessen der Welt. Dort haben sich die Teppiche in einem Umfeld gezeigt, für das sie gemacht sind – denn erst der Bodenbelag rundet eine Einrichtung so richtig ab.
Dass der Teppich derzeit eine Trendwende erlebt, hat viel mit der Boden-Grundausstattung von Wohnungen und Häusern zu tun. Dort liegen inzwischen vor allem Dielenböden oder Parkett, Laminat oder Steinzeug. Und seit Jahren sind offene Räume, in denen man lebt und arbeitet, angesagt. Doch auch in großzügigen Grundrissen und auf glatten Böden wünscht sich der Bewohner eine gewisse Privatheit – und kuscheligen Komfort. Ein Teppich bietet da optische und akustische Qualitäten, mit denen er einerseits das Ambiente angenehmer machen und andererseits Atmosphäre schaffen kann. Und schließlich braucht jeder Raum gewisse Areale, die sich voneinander abgrenzen. Ein Teppich im offenen Wohnraum kann diese Bereiche bilden. Er strukturiert den Raum, wirkt wie eine Insel, auf der sich Sofa, Tisch und Lampe zu einem wohnlichen Bereich fügen. Dazu kommen noch die taktilen Aspekte: Seitdem wir ständig in der digitalen Welt unterwegs sind, losgelöst von unserem ursprünglichen Tastsinn, lösen haptische und handwerkliche Qualitäten wieder ein Aha-Erlebnis aus.
Eine Wegbereiterin für den Teppich-Boom ist Nani Marquina. Die Spanierin machte sich einen Namen mit handgefertigten Designerteppichen. Neben eigenen Entwürfen lanciert Marquina Dessins von bekannten Möbel-Designern. Weitere Teppich-Pioniere arbeiten beim Label Danskina. In Mailand präsentierte es einen Entwurf namens Semis aus handgesponnener tibetanischer Wolle. Zwei Jahre lang haben die Designer an dem Textilbelag gearbeitet, bei dem es um ein harmonisches Miteinander von Punkten und Haptik geht. Das Ganze ähnelt Luftbildaufnahmen von Pflanzen auf einem Feld.
Vor allem bei handgeknüpften Teppichen ging es historisch stets darum, nicht nur zu schmücken, sondern auch Geschichten zu erzählen. Tiere und Pflanzen finden sich ebenso auf den edlen Stücken wie historische Ornamente. Auch hier tut sich was – ohne dass Traditionen verloren gehen. Der Berliner Teppichdesigner Jürgen Dahlmanns und sein Label Rug Star lassen zum Beispiel Koi-Karpfen über den Boden schwimmen. Oder sie lassen sich von 400 Jahre alten indischen Zeichnungen inspirieren. Fast zu einem Kunstwerk werden Teppiche durch die Technik Tufting, bei dem sich florale Motive dreidimensional vom dunklen Hintergrund abheben.
Die Modelle von Hossein Rezvani mit ungewöhnlichen Farbkombinationen und geometrischen Linien hingegen stehen für modernes Design aus dem Iran. Entworfen werden sie am Computer in Hamburg. Knapp 3,5 Monate brauchen die Knüpfer im Iran anschließend für einen etwa sechs Quadratmeter großen Teppich aus persischer Hochlandwolle und Seide mit mehr als 400.000 Knoten pro Quadratmeter.