Hilfe, schon wieder drei verpasste Anrufe, 42 ungelesene WhatsApp-Nachrichten, ein voller Mail-Posteingang und so viele Termine zu koordinieren! Urlaub, wo bist du?
Kommt euch das bekannt vor? Wenn ja, seid ihr sicher nicht allein, dieses Gefühl kennen viele Menschen. Und deshalb hat sich in den vergangenen Jahren ein Trend entwickelt, der sich Digital Detox nennt. Denn immer weniger Leute haben im Urlaub Lust, mit dem Tablet am Strand zu liegen, das Handy auf den Berg mitzuschleppen oder nach dem Schwimmen im See ihre Mails zu checken. Weg mit den Geräten, weg mit dem Stress. Im Urlaub sollen nur Ruhe und Entspannung regieren, der Elektrosmog soll doch bitte zu Hause bleiben. Digitales Entgiften tut gut, Fasten muss nicht immer nur mit Essen zu tun haben.
Experten sehen Ayurveda und maßgeschneiderte Ernährungskonzepte als gefragte Urlaubsformen. Technikverzicht ist noch relativ neu, aber das Bedürfnis bei Reisenden wächst. Raus aus den Zwängen des digital dominierten Alltags. Abschalten, nicht bloß sprichwörtlich.
Den Begriff Digital Detox haben 2012 Levi Felix und Brooke Dean in Kalifornien geprägt. Sie wollten sich und andere von der Online-Sucht heilen. In speziellen Erholungscamps im Herzen der Digitalwirtschaft im Silicon Valley lernten die Teilnehmer, auf die eigenen Bedürfnisse zu achten, zur Ruhe zu kommen und durchzuatmen. Ohne Alkohol, dafür mit Yoga, Sport, gesunder Ernährung, Briefpapier und Schreibmaschine. In Deutschland und Österreich haben sich zuletzt ähnliche Angebote entwickelt. In der Regel hat der Gast die Wahl zwischen vollständigem Verzicht und der Freiheit, zwischendurch wieder online zu gehen.
Aber nicht immer muss der Mensch den Stecker ziehen: In manchen Berghütten und abgelegenen Regionen avanciert das Funkloch zum Standortvorteil. Hüttenurlaube und Klosteraufenthalte bekommen so einen trendigen Anstrich – auch wenn gar nicht Digital Detox draufsteht. Und beim Trekking im indonesischen Regenwald, auf Wildtierbeobachtung in der Masai Mara oder beim Campen im australischen Outback sind die Urlaubsgäste ohnehin offline und haben nur ihre Kamera dabei. Wie erholsam!
Suchtforscher haben für den Digital-Detox-Trend großes Verständnis. Daten aus Befragungen weisen nämlich darauf hin, dass mit dem Smartphone eine neue Dimension von Verhaltenssucht einhergeht. Etwa 40 Prozent der Menschen geben an, abends mit dem Smartphone ins Bett zu gehen und in der Früh als Erstes danach greifen. Da kann es nicht schaden, ein paar Wochen pro Jahr auf den digitalen Stress zu verzichten und sich lieber Büchern, Wanderungen oder einfach netten Gesprächen zu widmen. Wer es nicht den ganzen Urlaub ohne Handy aushält, kann ja einmal mit einer täglichen Digital-Detox-Phase beginnen. Und sollte es sich als erholsam herausstellen, kann man die Zeiten ja langsam erweitern…