Die alle zwei Jahre im Wechsel mit der Architektur-Biennale stattfindende Kunst-Biennale gilt als wichtigste Präsentation zeitgenössischer Kunst. Damit wird die globale Kulturveranstaltung auch zum Forum für politische Meinungsäußerungen.
Der österreichische Beitrag
Die in St. Petersburg geborene Künstlerin Anna Jermolaewa zog für Österreich ins Rennen und konzipierte den österreichischen Pavillon für die diesjährige 60. Biennale Arte 2024. Der diesjährige thematische Schwerpunkt lautet »Strangers everywhere«. Diese Aussage ist der in St. Petersburg geborenen und seit vielen Jahrzehnten in Österreich lebenden Künstlerin vertraut. Die Pavillons widmeten sich dem Gefühl des ‚fremd seins‘, der Migration sowie Fragen nationaler Identität und kultureller Diversität.
»Das künstlerische Werk von Anna Jermolaewa zeichnet sich durch genaue Beobachtungsgabe, gesellschaftspolitisches Interesse, konzeptuell-serielle Verfahrensweisen, Leichtfüßigkeit und Witz und die Beherrschung sowie einer Vielzahl von künstlerischen Mitteln wie Video, Fotografie und Installation aus“. So zitierte die Kunst- und Kulturstaatssekretärin Andrea Mayer die Jurybegründung bei der Bekanntgabe des Österreichbeitrags für die 60. Biennale Arte im Jänner des Vorjahres.
Grazie und Poesie mit einem Quäntchen Humor
In ihrer sowjetischen Heimat war Jermolaewa Mitbegründerin der ersten Oppositionspartei und Herausgeberin einer regierungskritischen Zeitung. Sie hat in Russland stets polarisiert und mit ihrem künstlerischen Schaffen lautstark angeprangert: ihre Heimat, die Politik, die Gesellschaft und die eigene Person. »Meine Arbeit basierte auf Konzepten und Installationen, die das Soziale und Politische, den Humor und den Ernst des Menschseins in der Gesellschaft sowie die Poetik des Alltäglichen berührten«, berichtete Anna Jermolaewa über ihr Werk. 1989 musste sie schließlich flüchten. Sie kam nach Österreich, landete in Traiskirchen und konnte Dank politischem Asyl bleiben.
Schwanensee als beruhigende Ablenkung
In Jermolaewas Beitrag geht es primär um das Ballettvideo „Rehearsal for Swan Lake“, das Jermolaewa gemeinsam mit der ukrainischen Balletttänzerin Oksana Serheieva entwickelte. Jermolaewa, die sich als Flüchtlingshelferin engagiert, lernte Serheieva 2022 kennen. Was im Video auf den ersten Blick harmlos aussieht, ist ein Training für die Zeit des Umsturzes. Tschaikowskys Schwanensee galt in Russland als politischer Code. Immer wenn es in der Sowjetunion politische Umbrüche gab, wurde Schwanensee im Fernsehen im Dauer-Loop gespielt. Dieses Phänomen wurde als eine Art beruhigende „Ablenkung“, respektive als Notfallprogramm genutzt, wenn die regulären Sendungen wegen der politischen Instabilität nicht ausgestrahlt werden konnten. Ein bekanntes Beispiel dafür ist der August 1991, während des Putsches gegen Michail Gorbatschow, als die Hardliner der Kommunistischen Partei versuchten, die Kontrolle zu übernehmen und die Reformen der Perestroika zu stoppen.
Während des Putsches wurde auf den staatlichen Fernsehkanälen wiederholt Schwanensee ausgestrahlt. Dies diente dazu, die Bevölkerung von den tatsächlichen Ereignissen abzulenken. Für „Schwanensee“ zu proben heißt also, das Ende des Putin-Regimes zu beschwören, sagt Jemolaewa. Der Pavillon stellt auch einen Plattenspieler mit einem Röntgenbild aus. Der Besitz von Pop-Schallplatten war in der Sowjetzeit verboten. Damit sie leichter geschmuggelt werden konnten, kopierten russische Tontechniker die Alben auf Röntgenfilme.
Die Goldenen Löwen der Biennale
Mit dem Australier Archie Moore und der neuseeländischen Künstlergruppe Mataaho Collective haben indigene Kunstschaffende die wichtigsten Preise des weltbekannten Kunstereignisses erhalten. Der Goldene Löwe für die beste nationale Teilnahme geht in diesem Jahr an Australien. Moore beschäftigt sich mit der Geschichte der Aborigines, zu denen er selbst gehört: An den Wänden und der Decke der Ausstellung ist handschriftlich mit Kreide ein Stammbaum zweier Stämme der Ureinwohner Australiens aufgezeichnet. Der „Golden Lion for the Best Participant in the International Exhibition“ wurde an das neuseeländische Kollektiv vergeben. Im Zentrum der Arbeit steht die künstlerische Aufarbeitung der oft unsichtbaren, aber kostbaren Arbeit von Maori-Frauen; in textilen Strukturen geben sie Wissen weiter.
Venedig sehen und wiederkehren
Venedig, mit seiner einzigartigen Mischung aus historischer Pracht und modernem Kulturreichtum, ist immer eine Reise wert ist. Die Stadt, die einen großen Prozentsatz ihrer Besucher zur halbjährlich dauernden Biennale anlockt, begeistert nicht nur Kulturliebhaber aus aller Welt, sondern auch Reisende, die den Zauber von Stil und Genuss Venedigs erleben wollen. Mir sind besonders die bunten und sehr extravaganten und zum Teil großen Brillen an älteren Damen und Herren und die farbenfrohen Schuhe der munter gestikulierenden Einheimischen aufgefallen. Ein eyecatcher waren auch die langen, fließenden Stoffe in Form von glitzernden Hosen und Röcken, die das ‚Premierenpublikum‘ trug. Ein Aperol Spritz, dazu ein Brötchen mit Baccala und der Blick auf den Canale Grande. La dolce vita.