Nicht alle Schneiderinnen arbeiten mit Nadel und Faden. Manche verwenden für ihre Arbeit auch Lötgeräte. Das kommt vor, wenn es sich um sogenannte elektronische Stoffe handelt. Dabei werden Kupfer- oder Wollfäden verarbeitet, die Strom leiten. Irgendwie gruselig, aber so könnte die Bluse bald ähnlich smart sein wie ein Handy.
Smart Textiles, E-Textiles oder elektronische Textilien nennt sich die Kleidung, die auch in immer mehr Kollektionen großer Firmen auftaucht. Der Textilhersteller Levi’s etwa hat gemeinsam mit Google eine Jacke entwickelt, die sich über eine App steuern lässt. Der Träger kann sich per Streichen über den Ärmel durch den Straßenverkehr navigieren lassen oder einstellen, dass die Jacke vibriert, wenn das bestellte Taxi vor der Tür steht.
Zwei deutsche Schneiderinnen haben zum Beispiel einen brennenden Bolero namens „Priscilla“ entwickelt. Was den Bolero so besonders macht, versteckt sich in großen Rüschen, die an den Schultern der kurzen Weste angebracht sind. Erklingt Musik, beginnt der Bolero zu leuchten. Die akkubetriebene Elektronik reagiert auf Geräusche. Für einen Kunden, der vor Publikum Geschichten erzählt, haben die beiden Elektro-Schneiderinnen eine mit Perlen und LED-Lampen bestickte Weste entworfen. Was aussieht wie ein feines Gummiband, ist ein Sensor: Wenn der Träger einatmet und sich das Material dehnt, gehen die Lichter an.
Experten glauben, dass elektronische Textilien in Zukunft massenweise in die Produktion gehen könnten. Bereits 2017 wurden mit intelligenten Stoffen weltweit rund 1,3 Milliarden Euro Umsatz erzielt. Viele Erfindungen stammten aus der militärischen Nutzung. Technologien aus Kleidung etwa, die Herzschlag und Puls messen, um festzustellen, ob der Träger noch lebt, werden nun von Sportherstellern eingesetzt. Auch in der Medizin und Pflege könnten die Stoffe verwendet werden. Teppiche könnten Stürze melden und Wundverbände Informationen über die Heilung liefern.
Weniger optimistisch blickt jedoch die Umweltorganisation Greenpeace auf die E-Textilien. „Wir schaffen es im 21. Jahrhundert nicht einmal, unsere Klamotten vernünftig zu recyceln. Mit den leitenden Fasern wird das noch schwerer“, sagt Viola Wohlgemuth, die bei Greenpeace zur Nachhaltigkeit in der Textilindustrie arbeitet. E-Textilien seien quasi massenweise Sondermüll. Die Umweltorganisation will die Neuerungen auf dem Gebiet darum im Blick behalten.